Das letzte Formel 1-Rennen des Montjuïc

Das letzte Formel-1-Rennen auf dem Montjuïc

Die Geschichte des Motorsports auf Barcelonas Hausberg ging tragisches zu Ende. Ein Unfall überschattete das letzte Formel-1-Rennen des Montjuïc.

BARCELONA / REDAKTION. In den 1970er Jahren wurden Motorsportveranstaltungen vor allem vor beeindruckenden Kulissen immer beliebter. Mit dem Kurs auf dem Berg inmitten von Barcelona fand man dafür einen besonders attraktiven Ort. Doch an einem Tag wie heute beendete 1975 ein Unfall auf tragische Weise seine Geschichte als Autorennstrecke. Das Rennen auf dem Montjuïc wurde zu einem grausamen Beispiel dafür, wie gefährlich dieser Sport in direkter Zuschauernähe sein kann. Einer der Rennwagen verlor seinen Heckflügel kam von der Strecke ab und stürzte auf einen Kontrollpunkt. Dort befanden sich zu dem Zeitpunkt einige Journalisten und Zuschauer. Dieses Unglück war der Grund, dass am 27. April jenes Jahres das letzte Formel-1-Rennen des Montjuïc gefahren wurde.

Schon die Vorzeichen standen schlecht, als der Grand Prix in jenem Jahr ins franquistische Spanien kam. Noch immer herrschte eine Diktatur, die Wirtschaft des Landes lag durch eine Ölkrise brach und im Baskenland tobte die ETA. Der Tag des Wettbewerbs wurde zu einem der Tragischsten in der Geschichte der Motorsport-Königsklasse. Das Resultat dieses Zwischenfalls war verheerend: insgesamt vier Tote und zehn Schwerverletzte, darunter auch der Pilot selbst. Der deutsche Fahrer erlitt unter anderem sieben schwere Knochenbrüche.

Streik der Fahrer

Es war eine Tragödie, die sich in gewisser Weise angekündigte und in einem chaotischen Wochenende mündete. Schon am Donnerstag zuvor weigerten sich die viele der Fahrer das Rennen zu fahren. Grund dafür waren ihre Bedenken über die Sicherheit, nachdem sie die Schutzmaßnahmen der Strecke überprüft hatten.

Szene des letzten Rennes auf dem Montjuïc 1975 (Arxiu Municipal de Barcelona)

Über Nacht führten daraufhin das Streckenpersonal und mehr als 100 Freiwillige umfangreiche Montagearbeiten und Kontrollen durch. Zusätzlich Leitplanken wurden aufgebaut und vorhandene nachgebessert und Schrauben gesetzt, die an einigen Stellen zu fehlen schienen. Auch weitere Sicherheitszäune und Absperrungen wurden errichtet.

Am Freitag setzten die meisten Fahrer, angeführt von Emmerson Fittipaldi ihren Boicot jedoch fort. Die einzigen Beiden, die ihre Trainingsrunden absolvierten waren Jack Ickx und Vittorio Brabilla. Fittipaldi teilte im Namen des gesamten Fahrerlagers mit, dass man die Rennstrecke am Samstag erneut inspizieren solle. Erst danach wollten entscheiden würde, ob sie das Rennen zu fahren würden. Die Anspannung war sowohl bei den Piloten als auch den Organisatoren entsprechend hoch.

Obwohl Verantwortliche der FIA die Strecke am Samstag nochmals überprüften und ihrerseits grünes Licht gaben, zögerten die Fahrer noch immer. Sie hielten am Boicot fest, bis sich Jacky Ickx überzeugen liess und auf die Strecke ging. Erst als RACC Bernie Ecclestone, Vertreter der Teams, unter Druck setzte, änderte sich die Situation. Nach einer halben Stunde Bedenkzeit fuhren alle Piloten auf die Piste. Emerson Fittipaldi war als einziger Fahrer nicht restlos überzeugt und fuhr absichtlich nur ein paar Runden mit niedriger Geschwindigkeit. „Ich bin Formel 1-Pilot, kein Kamikaze und wollte mich nicht qualifizieren“, ließ er anschließend verlauten. Und mit den Worten „das Leben der Fahrer sollte wichtiger sein als Geld“, verließ er noch vor dem Hauptrennen am Nachmittag Barcelona.

Von Anfang an chaotisch

Der Moment als Rolf Stommelen die Kontrolle verlor (Arxiu Municipal de Barcelona)

Bereits der Start verlief nicht ganz reibungslos. Die beiden Ferraris auf den ersten Startpositionen konnten nicht einmal die erste Kurve, den Miramar-Winkel, überwinden ohne zu kollidieren. Während des gesamten Rennens kam es ununterbrochen zu Zusammenstößen und unzählige Kollisionen mit den Leitplanken des engen Kurses. Das hektische Rennen fand seinen traurigen Höhepunkt mit dem Unfall von Rolf Stommelen, der mit einem Lola Ford unterwegs war.
In der 25. Runde löste sich das Heckteil seines Fahrzeugs, wodurch er die Kontrolle verlor. Er hatte keinerlei Möglichkeit, es auf der Strecke zu halten. Sein Rennwagen erfasste dabei mehrere Zuschauer, die sich zu diesem Zeitpunkt an jener Stelle befanden. Ein Feuerwehrmann, ein Journalist und zwei Zuschauer kamen dabei ums Leben, als er vom Kurs abkam. 10 weitere Personen wurden schwer verletzt.

Zwei deutsche Protagonisten

Der deutsche Rennfahrer, der konnte sich anschließend kaum erinnern, was sich wirklich geschah. Den halben Körper in Gips, gab es nur Tage später ein Interview in einem Krankenhaus in Barcelona. „Ich weiß nicht genau, was und wie es passiert ist. Ich habe konfuse Erinnerungen an die Geschehnisse. All das kann ich nur dank dem, was sie mir erzählt wurde, langsam rekonstruieren.“

Er kam jedoch nur bei diesem Mal „glimpflich“ davon, kehrte noch in der gleichen Saison in die Formel 1 zurück. Bei einem Sportwagenunfall in Riverside 1983 brach durch einen mechanischen Defekt erneut sein Heckflügel und er verunglückte tödlich.

Die gesamte Situation war chaotisch und unübersichtlich und kurz nach dem Zwischenfall brach Panik unter den Zuschauern aus. Auch die Kommunikation zwischen den Streckenposten und der Rennleitung schien nicht funktioniert zu haben. So wurde erstaunlicherweise erst 4 Runden nach dem schrecklichen Unfall entschieden, die rote Fahne zu schwenken um das Rennen abzubrechen. Währenddessen lieferten sich Jacky Ickx und der deutsche Fahrer Jochen Mass, der am Ende gewann, einen Kampf um Platz 1. Die Italienerin Lella Lombardi wurde Sechste. Es war der erste und einzige Erfolg einer Frau in der Formel 1. Ihr wurde allerdings nur ein halber Punkt gegeben, da sie nicht mindestens 75 % der Distanz zurücklegte.

Das letzte Formel 1-Rennen des Montjuïc

Das Unglück auf dem Hausberg der Ciutat comtal war einer der schlimmsten Ereignisse in der Formel-1-Geschichte. Noch am selben Nachmittag entschied Salvador Fabregas, Präsident des RACC, keine Rennen mehr auf dem „Berg des Motors“ zu organisieren.

Die Überreste des verunglückten Wagens (Arxiu Municipal de Barcelona)

Damit wurde der Straßenkurs in Barcelona endgültig aus dem Formel-1-Kalender gestrichen. Der Große Preis von Spanien wurde während der darauffolgenden Jahre in Jarama ausgetragen. Nach einigen Jahren der Unterbrechung fuhr man ab 1985 in Jerez, bevor der Formel 1-Zirkus 1991 nach Barcelona zurückkehrte. Ausgetragen werden die Rennen seitdem aber nicht in der Stadt selbst, sondern auf der extra dafür errichteten Strecke in Montmeló.

Auf den berühmten Montjuïc kehrte erst mit den Olympischen Spielen im Jahre 1992 ein namhaftes Sportereignis zurück.


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