Nicht einmal fünf Meter lang ist die kleine Gasse im Stadtteil El Born. Damit ist sie zweifellos die kürzeste Straße der Stadt. Hier gibt’s die Geschichte dazu.
Bei den vielen kleinen Gassen, die es im Viertel gibt, muss man schon etwas suchen. Drei, vielleicht vier Schritte, einen langsamen Wimpernschlag, länger dauert es nicht, sie zu durchqueren. Da muss man schon aufpassen, sonst läuft man hindurch, ohne es überhaupt bemerkt zu haben. Im Schatten ihrer berühmten Nachbarin, der Kathedrale des Meeres wird die kürzeste Straße der Stadt schnell mal übersehen. Über diese kaum mehr als 4 Meter lange Kuriosität und deren Geschichte erzählen wir in diesem Artikel.
Die Carrer de l’Anisadeta befindet sich mitten im Zentrum der Stadt, doch wird sie von den wenigsten Touristen bemerkt. Noch unwahrscheinlicher ist, dass man sie als Straße wahrnimmt. Das liegt zweifellos an der Länge der Verbindung zwischen der Carrrer dels Canvis vells und der Plaça de Santa Maria vor der gleichnamigen Kirche. Bei einer Länge von nicht einmal fünf Metern ist das auch nicht ganz überraschend.
So kurz wie sie auch ist, hat sie dafür aber eine lange Geschichte. Sie existierte schon lange bevor die heutige Via Laietana gebaut wurde.
Laut den Historikern gab es in dieser Gegend eine kleine Taverne mit dem Namen Ca la Nisadeta. Ihre Existenz ist bereits in Aufzeichnungen über die Ciutat comtal aus dem 10. Jahrhundert dokumentiert. Doch dies allein ist nicht der Grund, weshalb die Straße ihren Namen erhielt.
Anis und eine hübsche junge Frau
In dem Lokal schenkte eine hübsche junge Frau einen hausgemachten Anis-Schnaps aus. Dieser war vor allem bei den Hafenarbeitern und Fischern beliebt, sie sich nach ihrer Arbeit in der Kälte damit aufwärmten. Beeindruckt von ihrer Schönheit, gab es kaum einen männlichen Gast des Wirtshauses, der nicht um ihre Hand anhielt. Sie lehnte jedoch alle Männer ab, bis sie eines Tages, müde von so vielen Anträgen, verschwand und nie wiedergesehen wurde. Die Legende besagt, dass einer der Männer das schöne Mädchen entführte, andere hingegen besagen, sie sei einfach geflohen.
Die Männer des Viertels beschlossen gebrochenen Herzens, ihr zu Ehren, die Straße Anisadeta zu nennen. So konnten sie sich an die schöne junge Frau erinnern, die Anís verkaufte und die platonische Liebe Aller war.
Damals wurden, vor alle in der Arbeiterklasse, alkoholische Getränke als unverzichtbaren Bestandteil der Ernährung betrachtet. Insbesondere im Hinblick auf ihre Kalorienaufnahme und das äußere Wärmegefühl, das sie in den frühen Morgenstunden des Jahres erzeugen.
Das beliebteste Getränk, das auf nüchternen Magen getrunken wurde, war die „Barreja“ (kat. für Mischung). Diese bestand meist aus Spirituosen oder hochwertigem Anis und Wein, Muskat oder Mistela. Getrunken wird es noch heute, allerdings nicht mehr früh am Morgen, sondern als beliebtes Getränk auf der La Patum de Berga.
Die Straße war übrigens nicht immer ganz so kurz. Es gab eine Zeit, in der das Haus an der Ecke einen im mittelalterlichen Barcelona typischen sogenannten Ausleger hatte. Diese Erweiterungen oberhalb der Straßen waren die einzige Möglichkeit für die Menschen ihren Wohnraum zumindest ein wenig zu vergrößern.
Um 1850 musste das vielbesuchte und wohl bekannteste Wirtshaus des Viertels umziehen, wenn auch nicht sehr weit. Es fand sich in den Baracken an den Mauern der Kirche der Santa Maria gegenüber dem Fossar de les Moreres wieder. Es war ein moderneres und somit auch praktischeres Gebäude, dadurch verlor das Lokal aber auch seinen antiken und authentischen Charakter. So kamen immer weniger Gäste, worauf das es eines Tages geschlossen wurde. Die kürzeste Straße der Stadt aber existiert noch heute.
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