Gewerbetreibende aus allen Sektoren kämpfen mit Umsatzeinbußen von bis zu 90%. Nun sucht man die lokalen Kunden um den Ruin der La Rambla irgendwie aufzuhalten.
“Propera parada: Plaça Catalunya.” (Nächster Halt: Plaça Catalunya). In jedem normalen Sommer strömen aus dieser Metro-Station tausende Touristen, um auf Barcelonas bekanntester Straße zu flanieren. In diesem Jahr ist es eine der am wenigsten frequentierten Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel.
Es gibt kaum Touristen, weder aus dem Ausland noch aus den anderen Teilen des Landes. Das Ausbleiben der Besucher der Mittelmeermetropole hat die La Rambla in einen langen leeren Korridor verwandelt. Die ansässigen Ladenbesitzer hoffen nun auf das einheimische Publikum. Wenn man nicht wenigstens den lokalen Tourismus reaktivieren kann, befürchten viele den Ruin der La Rambla.
Ruin der La Rambla
Den Plaça Catalunya grad noch im Blick, steht Alberto vor seinem Zeitungskiosk, mit dem schon sein Vater das Geld verdiente. „Es gab schon einige Krisen, aber so leer wie in diesem Jahr habe ich die La Rambla noch nie gesehen.“ Es fehlen die Touristen, ja, aber auch das war nicht immer so.
„Zur Zeit meiner Kindheit kamen die Einheimischen aus allen Vierteln hierher“, erzählt er. „Einige kamen zum shoppen, denn Boutiquen bekannter Marken oder bestimmte Produkte gab es nur auf der La Rambla. Andere wollten einfach nur das Flair zu genießen. Musikanten, schrille Gestalten, Jongleure, es gab immer etwas zu sehen. Jemand kam sogar auf die Idee, Stühle zu vermieten, damit die Leute das Spektakel im Sitzen erleben konnten“, erinnert er sich.
Heute bringen die Touristen das meiste Geld, und derzeit fehlen monatlich rund 80% in der Kasse. „Wir geben nicht auf, der Kiosk gehört zum Viertel“, sagt Alberto, während er einer Nachbarin hilft, ihre Zeitungen einzupacken.
Die Souvenirs verstauben in den Schaufenstern. „Derzeit verkaufen wir mehr Gesichtsmasken als Postkarten. Da vermisst man sogar die Touristen, die nur nach dem Weg fragen ohne etwas zu kaufen“, lacht er.
Leere Bars und Restaurants
Auch die Einnahmen der Gastronomen der La Rambla sind um rund 90% gesunken. Toni ist Kellner in einem Restaurant der „Touristen-Meile“, kurz bevor die den Hafen erreicht.
Er erlebte mit, wie das Personal von insgesamt 45 Leuten auf 4 beschränkt wurde. “Am 25. Mai hatten wir eröffnet. Es war ein schwieriger Start, aber die Menschen in der Stadt wollten an die frische Luft und spazieren gehen. Und viele von ihnen kamen auch bis auf die La Rambla”, erinnert er sich. “Dazu kamen auch nach und nach wieder die ersten ausländischen Besucher, bis am 17. Juli neue Einschränkungen bekannt wurden.“
Andere haben dagegen mehr Glück. Auf dem Plaça Reial finden wir ein Lokal, dessen Terrasse gut besucht ist. “Der Umsatz ist auch bei uns gesunken”, gibt die Geschäftsführerin Lara zu, als wir nach dem Schlüssel des Erfolgs fragen.
“Das Ausbleiben der Touristen bemerken wir auch. Wir hatten aber schon immer einen recht hohen Anteil einheimischer Gäste, Nachbarn, Geschäftsleute aus der Gegend. Das rettet uns in der aktuellen Situation vor dem Aus.”
Geschlossene Stände in der “La Boqueria”
Stimmengewirr, Durcheinander, Gerüche verschiedenster Gewürze, Fischstände und Fleischereien. Neben den alten Damen mit ihren Einkaufswagen drängen sich die Gruppen von Touristen die ihrem Tour-Guide folgen durch die schmalen Gänge. So kennt wohl Jeder Barcelonas bekannteste Markthalle. Einmal drin, war es ein Festival der Eindrücke, die auf einen hereinstürzten.
In diesen Tagen ist der Mercat de la Boqueria allerdings kaum wiederzuerkennen. Dunkle leere Gänge, verlassene Stände und heruntergelassene Jalousien ergeben einen traurigen Anblick.
Manel verkauft in fünfter Generation Delikatessen im hinteren Teil des Marktes. Normalerweise hätte er gar keine Zeit, um mit uns zu reden, doch „momentan ist sogar nur die Hälfte des Personals im Einsatz.
Mit den wenigen lokalen Kunden lohnt sich das Geschäft kaum und viele Händler sind in den roten Zahlen oder haben schon ganz geschlossen“, erzählt er. „Sie sind seit über 100 Jahren hier und verkaufen glücklicherweise nicht nur an Touristen. Das hat das Geschäft der beiden Brüder bisher noch retten können.
Die Krise ist ansteckend
Nicht nur auf der La Rambla selbst spürt man die Auswirkungen, in den anliegenden Straßen sieht es nicht besser aus. In einem Modeladen in der Carrer Tallers hören wir, dass “die Einnahmen um fast 70% zurückgegangen sind. Es gibt Tage, an denen verkaufen wir kein einziges Teil“. Die Boutique mit Marken katalanischer Newcomer-Designer lebt zum größten Teil von den Touristen. Momentan überleben sie nur durch den Online-Verkauf.
Von der La Rambla Richtung Plaça Sant Jaume, auf diesem Weg zog die tägliche Karawane von Touristen auch durch die Carrer Ferran. Doch auch hier, genau wie im Mercat de La Boqueria, sieht man immer mehr geschlossene Läden.
Beliebte Lokale verschwinden
Fast schlimmer noch, wenn plötzlich Filialen großer Ketten auftauchen und alt eingesessene Unternehmen ablösen. So geschah es zum Beispiel in der Hausnummer 23. Seit 1900 existierte dort ein Geschäft und in den letzten 24 Jahren residierte unter der Adresse das beliebte Café Schilling.
Andere Gastronomen geben sich noch nicht geschlagen, doch niemand weiß, wie lange das noch gut geht. Der Besitzer einer Bar mitten im Viertel sagt: „Wir freuen uns selbstverständlich über jeden Gast aus der Nachbarschaft, doch ohne die Touristen fehlt der größte Teil unserer Einnahmen.“
Zugegeben, in der ganzen Gegend trifft man fast ausschließlich Touristen. Selten kommen Einheimische hierher und wenn, dann meist um eine Runde mit ihrem Besuch zu drehen.
Viele Unternehmer haben sich an die Situation angepasst. Immer häufiger sieht man Sonderangebote und Rabatte in den Schaufenstern, wo man sie vorher nie erwartet hätte. Mit allen Mitteln wird derzeit versucht, das einheimische Publikum für sich zu gewinnen.
„Dieser Teil Barcelonas darf nicht sterben“, sagt Albert vom Souvenir-Stand, als wir uns verabschieden. Damit spricht er wohl allen anderen Unternehmern der Zone der La Rambla aus der Seele. Sie wollen so lange durchhalten wie es noch geht und den Ruin der La Rambla nicht so einfach hinnehmen.
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